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Vernebelung bzw. Verdampfung von Desinfektionsmitteln in geschlossenen Räumen


Stand: 15. Juli 2021

Durch die Vernebelung oder Verdampfung von Desinfektionsmitteln in geschlossenen Räumen kann die Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gefährdet werden. Daher sind derartige Verfahren aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes nicht geeignet, wenn sich Personen im Raum aufhalten. Zudem sind Raumluftdesinfektionsverfahren nur in einzelnen Spezialfällen, z. B. in Spitälern, als sinnvoll zu erachten.

Werden Desinfektionsmittel zur Raum- und Luftdesinfektion ("Raumluftdesinfektion") eingesetzt, so erfolgt dies durch Versprühen bzw. Vernebeln oder Verdampfen. Die dabei eingesetzten Desinfektionsmittel basieren oftmals auf Oxidationsmitteln - z. B. Wasserstoffperoxid oder "Aktivchlor" aus wässrigen Lösungen von Natriumhypochlorit bzw. Hypochloriger Säure - als Wirkstoff.

Wirkstoffe (z. B. "Aktivchlor") können auch erst bei der Anwendung entstehen, was dazu führt, dass diese nicht als Inhaltsstoffe angeführt sind. Werden Desinfektionsmittel bei der Arbeit im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG § 2 Abs. 6) oder der dienstlichen Tätigkeit im Sinne des Bundes-Bedienstetenschutzgesetzes (B-BSG § 2 Abs. 10) verwendet, sind diese auch als Arbeitsstoffe zu behandeln! 

Bei Anwendung von Desinfektionsmitteln in einer entsprechend hohen Dosierung, die eine wirksame Raumluftdesinfektion gewährleistet, können diese - und deren Reaktionsprodukte - Gesundheitsschäden verursachen. Bei Kontakt mit Augen, Haut, Schleimhäuten sowie bei Kontakt mit den Gewebestrukturen der tiefen Atemwege nach Inhalation, können diese Stoffe reizend bzw. allergieauslösend wirken und somit entzündliche Prozesse in Gang setzen, die bei wiederholter Exposition zu chronischen Erkrankungen führen können. Die solcherart ausgelösten chronischen Erkrankungen können einer Berufskrankheit (Liste der Berufskrankheiten) entsprechen: dabei wäre vor allem die Berufskrankheit Nummer 41 (durch chemisch-irritative oder toxische Stoffe hervorgerufene Atemwegserkrankung) zu nennen. Denkbar ist auch die Berufskrankheit Nummer 30 (Asthma bronchiale) und bei Hautkontakt mit Desinfektionsmitteln die Berufskrankheit Nummer 19 (Hauterkrankungen, inkl. allergische Hauterkrankungen). Zu bedenken ist, dass für Schwangere, stillende Mütter, Jugendliche und Kinder das Risiko eines Gesundheitsschadens durch Desinfektionsmittel deutlich höher ausfallen kann.

Vor dem Einsatz eines Desinfektionsmittels sind alle anwesenden Personen aus dem zu desinfizierenden Raum zu evakuieren, der Raum ist vollständig abzudichten und der Einsatzbereich des Desinfektionsmittels (Gefahrenbereich) ist klar zu kennzeichnen. Nach dem Desinfektionsmittel-Einsatz ist eine Sicherheitswartezeit abzuwarten, bevor der Raum wieder betreten werden kann. Danach ist der Raum gut zu lüften. Deshalb sollte eine Raumluftdesinfektion nur durch entsprechendes Fachpersonal durchgeführt werden.

Weiterführende Informationen zu Desinfektionsmitteln

Desinfektionsmittel sind chemische Substanzen, die basierend auf Keimreduktion unter anderem zur Hände-, Flächen-, Instrumenten-, Wäsche- und Raumluftdesinfektion verwendet werden. Von Desinfektion spricht man dabei ab einer Keimreduktion um einen Faktor von 105, d.h. von 100.000 vermehrungsfähigen Keimen überlebt nur einer. Um dies zu erzielen, müssen die Desinfektionsmittel ausreichend konzentriert eingesetzt werden. Bei einer zu niedrigen Dosierung kann es außerdem zur Bildung resistenter Keime kommen.

Desinfektionsmittel sind auch als Biozidprodukte zu qualifizieren und unterliegen damit den entsprechenden Rechtsvorschriften. Daneben gelten auch chemikalienrechtliche Vorschriften, wie etwa die Einstufung und Kennzeichnung aus der CLP-Verordnung oder die Übermittlungspflicht eines Sicherheitsdatenblattes bei gefährlichen Stoffen oder Gemischen aus der REACH-Verordnung. Zudem sind bei der Verwendung am Arbeitsplatz auch Regelungen für die Sicherheit und die Gesundheit am Arbeitsplatz zu berücksichtigen.

Vor der Verwendung eines Desinfektionsmittels ist zu prüfen, ob der Einsatz eines Desinfektionsmittels überhaupt notwendig ist oder andere Maßnahmen nicht ausreichend sind (z. B. effiziente Lüftungsmaßnahmen, andere hygienische Reinigung). Ist der Einsatz von Desinfektionsmitteln unbedingt erforderlich, so muss das für den Anwendungsbereich geeignete und am wenigsten gesundheitsschädliche Mittel herangezogen werden. Bei der Auswahl des für den jeweiligen Anwendungszweck geeigneten Desinfektionsmittels ist jedenfalls darauf zu achten, dass das Desinfektionsmittel für diesen Anwendungsbereich vorgesehen und auch zugelassen ist (so sollten z. B. zur Desinfektion der Hände nur dafür zugelassene Hand-Desinfektionsmittel verwendet werden). Informationen zum Verwendungszweck und zur Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels können dem Produktdatenblatt, Sicherheitsdatenblatt oder etwaig vorhandenen Zertifikaten entnommen werden. Bei Unklarheiten ist dringend zu empfehlen, mit dem Lieferanten oder Hersteller Rücksprache zu halten. Gegebenenfalls sind andere Fachleute hinzuzuziehen (z. B. Präventionsfachkräfte).

Werden Desinfektionsmittel bei der Arbeit verwendet, sind diese als (gefährliche) Arbeitsstoffe im Sinne des § 2 Abs. 6 ASchG zu qualifizieren. In Bezug auf den Einsatz von Luftreinigern hat das Bundesministerium für Arbeit einen Erlass (Geschäftszahl: 2021-0.433.695) herausgegeben, der die Abgrenzung zu § 22 Abs. 3 ASchG klarstellt. So stelle das Vernebeln von chemischen Substanzen in der Luft am Arbeitsplatz zur Reinigung oder Neutralisation potentiell vorhandener Krankheitserreger dann keinen Arbeitsstoff dar, wenn dies zur Durchführung der eigentlichen Tätigkeit am Arbeitsplatz nicht erforderlich ist. Dann seien die Bestimmungen der Grenzwerteverordnung (GKV) nicht heranzuziehen. Aber bei einer Einbringung von Chemikalien in die Atemluft bzw. bei Erzeugung von Radikalen sowie von Reaktions- oder Spaltprodukten sei grundsätzlich von einer unzulässigen Beeinträchtigung und Belastung der Luft gemäß § 22 Abs. 3 ASchG auszugehen. Für die Verwendung solcher Geräte am Arbeitsplatz wäre ein vollständiger und detaillierter Nachweis notwendig, der jede mögliche nachteilige Beeinträchtigung ausschließe (Arbeitsplatzevaluierung). Details dazu sind im gegenständlichen Erlass nachzulesen:

Erlass BMA zum Einsatz von Luftreinigern 

Bei einer Verwendung von Desinfektionsmitteln sind die entsprechenden Regelungen aus dem ArbeitnehmerInnenschutzrecht anzuwenden. Das sind beispielsweise die Berücksichtigung bei der Arbeitsplatzevaluierung, die Arbeitsstoffevaluierung, die Unterweisungsverpflichtung, aber auch die Einhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten oder gegebenenfalls Regelungen zum Explosionsschutz oder etwaige Regelungen zur Lagerung. Zudem gelten für Arbeitsstoffe am Arbeitsplatz auch die inhalativen Arbeitsplatzgrenzwerte (MAK, TRK)* in Bezug auf die Inhaltsstoffe der Desinfektionsmittel. Dabei sei explizit darauf hingewiesen, dass MAK-Werte für gesunde Personen im erwerbsfähigen Alter festgelegt werden - im Einzelfall, insbesondere bei schwangeren oder stillenden Arbeitnehmerinnen sowie bei Jugendlichen (z. B. Lehrlingen), kann auch bei Einhaltung der MAK-Werte eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder unangemessene Belästigung nicht ausgeschlossen werden. Beispielsweise können bei Schwangeren MAK-Werte nicht als Grenzwerte herangezogen werden. Bei nachweisbarer Einwirkung eines Stoffes, für den es einen MAK-Wert gibt, besteht grundsätzlich ein Beschäftigungsverbot (mit Ausnahmen). Jedenfalls müssen die Konzentrationen gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in der Luft immer möglichst gering gehalten werden (Minimierungsgebote).

Bei den am Markt angebotenen Desinfektionsmitteln sollten im Zuge der Arbeitsstoff- bzw. Arbeitsplatzevaluierung genaue Daten erhoben und Informationen zu möglichen gesundheitlichen Gefahren beim Lieferanten oder Hersteller eingefordert werden. Nach einer eingehenden Ermittlung der von diesem Arbeitsstoff ausgehenden Gefahren und einer damit einhergehenden Risikobewertung (Arbeitsstoffevaluierung) sind entsprechende Maßnahmen für eine sichere Verwendung am Arbeitsplatz im Sinne des bekannten S-T-O-P Prinzips zu ergreifen. Auf besonders gefährdete oder schutzbedürftige Beschäftigte ist hierbei Rücksicht zu nehmen (z. B. werdende oder stillende Mütter, Kinder und Jugendliche etc.), da bei diesen Personengruppen das Risiko eines Gesundheitsschadens durch Desinfektionsmittel deutlich höher ausfallen kann.

Bei einem nicht vermeidbaren Einsatz von Desinfektionsmitteln ist immer der erlaubte Anwendungsbereich zu beachten und es ist jene Anwendung zu bevorzugen, bei der betroffene Personen am wenigsten exponiert sind, z. B. Auftragen eines Desinfektionsmittels zur Oberflächendesinfektion mit einem Tuch.

Zusammenfassung

  • Raumluftdesinfektion ist nur in Spezialfällen notwendig.
  • Desinfektion ist nur von Fachpersonal auszuführen.
  • Raumluftdesinfektion nur bei Abwesenheit von Personen durchführen.
  • Desinfektionsmittel können Arbeitsstoffe sein.
  • Auch entstehende Arbeitsstoffe können gesundheitsgefährdend sein.
  • Berücksichtigung in der Arbeitsplatzevaluierung
  • Beachtung von Regelungen zum Arbeitnehmerschutz
  • Erlass BMA zum Einsatz von Luftreinigern beachten

Links zum Thema

Allgemeine Hinweise: Lüftung von Innenräumen - www.arbeitsinspektion.gv.at

Einsatz von Luftreinigern (arbeitsinspektion.gv.at)

Vernebelung zur Desinfektion von Raumluft - www.umweltbundesamt.at

Österreichischer Biozid-Helpdesk

Wiener Desinfektionsmittel-Datenbank (WIDES-Datenbank) - www.wien.gv.at

Online-Lüftungsrechner der DGUV - www.bgn.de


Aktualisiert: 15. Juli 2021


 

* MAK: Maximale Arbeitsplatzkonzentration (§ 45 Abs. 1 ASchG iVm Grenzwerteverordnung)

TRK: Technische Richtkonzentration (§ 45 Abs. 2 ASchG iVm Grenzwerteverordnung)